Über Mich
Manchmal frage ich mich, wie man eigentlich zu dem wird, was man ist. In meinem Fall ist das: 38 Jahre alt, Vater von zwei Kindern und ein Mann, der beruflich an Häuserwänden hängt und freiwillig vor Sonnenaufgang durch die Gegend rennt. Das stand so, glaube ich, in keinem der Berufswahl-Bücher, die man uns damals in der Schule gegeben hat.
Angefangen hat alles ganz vernünftig mit einer Maurerlehre. Das ist was Solides, da weiß man, was man hat. Aber wie das Leben so spielt, ich bin kurz danach irgendwie in die Gebäudereinigung gerutscht. Man hilft mal aus, dann bleibt man dabei, und plötzlich sind 17 Jahre vergangen. Manchmal passieren die beständigsten Dinge im Leben ganz ohne großen Plan. Und weil das alles noch nicht ungewöhnlich genug war, dachte ich mir 2019, es wäre eine prima Idee, zusätzlich den Industriekletterer zu machen. Jetzt sorge ich für saubere Fenster, manchmal auch aus Perspektiven, die bei anderen für weiche Knie sorgen.
Ähnlich ungeplant kam ich auch zum Laufen. Es war kein Plötzlicher Schockmoment vor dem Spiegel, eher ein schleichender Prozess. Die Hosen wurden enger, die Treppen im Haus gefühlt steiler, und die Waage zeigte eine Zahl an, die verdächtig nahe an der 100 kratzte. Dazu kam der Gedanke, dass ein bisschen mehr Kondition nicht nur im Alltag, sondern auch beim Klettern in 50 Metern Höhe eine super Sache wäre. Mein innerer Schweinehund war zu diesem Zeitpunkt kein kleiner Hund mehr, sondern eher ein gemütlicher Bär, der sehr überzeugende Argumente für das Sofa hatte.
Die entscheidende Anregung kam dann von einer Bekannten. Sie erzählte, sie gehe laufen. Freiwillig. Als Hobby. Und sie sah dabei ganz zufrieden aus. Also probierte ich es. Das erste mal fühlte sich an, als würde mein Körper eine außerordentliche Betriebsversammlung einberufen, um über diesen plötzlichen Anfall von Wahnsinn zu diskutieren.
Das Verrückteste ist: Inzwischen bin ich tatsächlich zu einem dieser Menschen geworden, über die ich früher den Kopf geschüttelt habe. Ich stehe um fünf Uhr morgens auf, um laufen zu gehen. Freiwillig. Im Dunkeln. Das war aber nicht immer so.
Nur um das klarzustellen: Ich bin kein Profi. Zumindest jetzt noch nicht. Ich bin nur ein ganz normaler Typ, der beschlossen hat, es trotzdem zu wagen. Ich werde hier also von meinen Erfahrungen berichten, ungeschönt und ehrlich. Vom seltsamen Weg vom Morgenmuffel zum Frühaufsteher. Von den guten Läufen, bei denen man sich unbesiegbar fühlt, von den großen Hürden, bei denen man am liebsten alles hinschmeißen würde, und von den kleinen Tipps, die mir wirklich geholfen haben. Und natürlich von dem großen Ziel, das jetzt im Raum steht und mich ein bisschen nervös macht: dem Halbmarathon. Mal sehen, was mein innerer Bär dazu sagt. Ich vermute, er ist genau so überrascht wie ich.